Michael Gartenschläger: Der Prozess in Schwerin 1999/2000. Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Unrecht und die gesellschaftliche Debatte zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit im vereinten Deutschland.

Format: Vortrag, Lesung, Diskussion
Veranstalter: Landeszentrale für politische Bildung

In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai 1976 wurde Michael Gartenschläger am Großen Grenzknick bei Bröthen von Angehörigen einer Spezialeinheit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR erschossen. Gartenschläger wollte zum dritten Mal eine Selbstschussanlage vom Typ "SM 70" abbauen, um die Weltöffentlichkeit auf die Menschenrechtsverletzungen durch das DDR-Grenzregime aufmerksam zu machen. Dieses Ereignis nehmen wir zum Anlass, über die juristische Aufarbeitung des Falles und die zukünftigen Wege des Erinnerns zu diskutieren.

1999 begann vor dem Schweriner Landgericht der Prozess gegen drei der damaligen Schützen. Im Frühjahr 2000 sprach die Strafkammer des Landgerichts die Angeklagten zum Unverständnis vieler Beobachter vom Vorwurf des versuchten Mordes frei. Insoweit steht dieser Prozess stellvertretend für viele andere Prozesse zur juristischen Ahndung von DDR-Unrecht, die nicht zur Verurteilung der Angeklagten führten. Opfer der SED-Diktatur fühlten sich enttäuscht von der juristischen Aufarbeitung und sahen Parallelen zu den Bestrebungen, die politischen Zustände in der DDR zu verharmlosen.

Diesem Befund gegenüber steht der große Aufwand, den der bundesdeutsche Staat und bürgerschaftliche Initiativen zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit betreiben. Welche Bedeutung hatte der Schweriner Prozess zur Tötung von Michael Gartenschläger für die Aufarbeitung der damaligen Ereignisse oderblieben die juristischen Bemühungen gänzlich ohne Wirkungen? Welche Wege sollte man zukünftig gehen, um die kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit zu stärken?

Wir haben Fachleute und Beteiligte für diese Veranstaltung gewonnen: Der Journalist Andreas Frost hat den Schweriner Gartenschläger-Prozess dokumentiert. Er wird einführend eine Bilanz dieses Prozesses ziehen, dabei die Akteure, den Gerichtsverlauf und das Urteil vorstellen und in den historischen Zusammenhang einbetten. Anschließend wollen wir mit den teilnehmenden Podiumsgästen den Prozess aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und in einen breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang stellen:

  • Andreas Frost (freier Journalist aus Schwerin, berichtete während des Prozesses umfangreich über den "Fall Gartenschläger", u.a. für den Tagesspiegel, Lübecker Nachrichten , Nordkurier und Hamburger Abendblatt)
  • Lothar Vogt (ehemaliger BGS-Beamter und Zeitzeuge der Tötung von Michael Gartenschläger, angefragt)
  • Dietrich Voß (Pastor i. R., leitete 1989/90 den Runden Tisch in Altkreis Grevesmühlen und der Stadt Schönberg, engagiert sich für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte)

Die Podiumsdiskussion moderiert Lena Gürtler (Journalistin, NDR Hamburg, Forschungen zur juristischen Aufarbeitung von DDR-Unrecht in Mecklenburg-Vorpommern).

Die Veranstaltung findet im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung "Michael Gartenschläger. Leben und Sterben zwischen Deutschland und Deutschland" im Grenzhus Schlagsdorf statt.

Eine Veranstaltung wird der Landeszentrale für politische Bildung M-V, der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen M-V und der Friedrich-Ebert-Stiftung M-V.