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20 FRAGEN. 20 ANTWORTEN.

Im Zuge der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 nach Deutschland haben sich Fragen und Ungewissheiten in der Bevölkerung vermehrt. Zugleich ist insbesondere in den sozialen Netzwerken eine Verbreitung von Gerüchten und Falschbehauptungen zu beobachten. Die Landeszentrale für politische Bildung hat die häufigsten Fragen ausgewählt und zentrale Fakten und Hintergründe in kompakten Antworten zusammengestellt (Stand März 2016).

Vor allem aus Syrien. 12.009 Menschen aus dem Bürgerkriegsland haben im Jahr 2015 Asylanträge in Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Flüchtlinge kommen aber auch aus der Ukraine, Albanien, Afghanistan und Ghana. Die meisten flüchten vor Krieg und Terror, sie wollen raus aus den Krisengebieten und riskieren zum Teil gefährliche Routen in überfüllten Booten übers Mittelmeer. Aber auch wegen existenzieller Not und permanenter Diskriminierung verlassen Menschen die Heimat.

Im vergangenen Jahr wurden 23.080 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern registriert. 2016 sind es bislang 3.180 (Stand Ende Februar). Das Land muss exakt 2,03 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Das sieht der „Königsteiner Schlüssel“ vor, eine Quote, die sich nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen richtet. Zum Vergleich: In Berlin kamen 2015 insgesamt 79.034 Flüchtlinge an, 54.325 konnten bleiben, die anderen wurden auf die Bundesländer verteilt.

60 Mio. Menschen sind weltweit auf der Flucht.
86 Prozent der Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern.
50 Prozent aller Flüchtlinge weltweit sind Kinder.
38,2 Mio. Menschen sind im eigenen Land vertrieben.
80 Prozent aller Flüchtlinge bleiben in ihrer Region.
1 zu 4: In Jordanien gibt es 1,5 Millionen Flüchtlinge und 6 Millionen Einwohner.
(Für diese Quote müsste Deutschland 20 Millionen Menschen aufnehmen.)
0,04 Prozent aller Flüchtlinge weltweit sind 2015 nach MV gekommen. 

Die meisten ziehen weiter. In andere Länder, in die großen Städte. 2015 ist nur jeder dritte Flüchtling in Mecklenburg-Vorpommern geblieben. In ihre Heimat jedoch werden viele Menschen vorerst nicht zurückkehren können. Dort herrscht Krieg. Sie müssen ein neues Leben beginnen. Für MV ist das eine Chance. Seit 1990 hat das Land etwa 300.000 Einwohner verloren. Und schon einmal wurden hier Flüchtlinge aufgenommen – fast eine Million nach dem Zweiten Weltkrieg.

Grundlage ist die Genfer Flüchtlingskonvention. Fast 150 Länder inklusive Deutschland haben den Vertrag unterzeichnet. Sie verpflichten sich damit, Flüchtlinge aufzunehmen, wenn diese in ihrer Heimat bedroht sind. Im Nationalsozialismus wurden Millionen Menschen wegen ihrer Religion, Herkunft oder Haltung verfolgt. Deshalb ist das Recht auf Asyl in Deutschland heute besonders geschützt. In Artikel 16a des Grundgesetzes heißt es: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“

Wer Asyl beantragt, wird in einer Erstaufnahmeeinrichtung der Länder untergebracht. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel in Nostorf/Horst oder einer der Außenstellen. Zuständig für die Bearbeitung des Antrages ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. In einer Anhörung müssen Asylsuchende vor allem ihre Fluchtgründe erklären. Die Behörde prüft, ob alle Kriterien erfüllt sind. Wird der Antrag abgelehnt, können dagegen Rechtsmittel eingelegt werden.

In der Erstaufnahmeeinrichtung bekommen Asylsuchende ein Bett, Essen, Kleidung und bis auf Weiteres ein monatliches Taschengeld. Später müssen sie sich in Wohnheimen oder Wohnungen selbst versorgen. Dafür gibt es für Alleinstehende 364 Euro pro Monat – und somit 40 Euro weniger als Hartz IV. Erst wenn Asylsuchende seit mehr als 15 Monaten in Deutschland sind oder als Flüchtlinge anerkannt werden, erhalten sie den vollen Sozialhilfesatz. Geregelt ist das im Asylbewerberleistungsgesetz.

Nach einer Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft werden die Kosten für Betreuung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge für 2016 auf 22 Milliarden Euro geschätzt. Das wären knapp sieben Prozent des Bundeshaushaltes. Laut Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten nach fünf Jahren immer noch 50 Prozent aller Flüchtlinge arbeitslos sein. Nach spätestens sieben Jahren jedoch erwirtschaften sie im Durchschnitt mehr, als sie den Staat kosten.

Hartz-IV-Empfänger werden nicht einen Cent weniger erhalten, nur weil es mehr Flüchtlinge in Deutschland gibt. Die Regelsätze sind an den Preis- und Lohnanstieg gekoppelt und werden jährlich geprüft. Das Sozialgesetzbuch sieht zudem die Übernahme von Miete und Heizkosten vor. Ebenso können Hartz-IV-Empfänger die Erstausstattung für eine Wohnung oder Leistungen aus dem Bildungspaket für Kinder und Jugendliche beantragen.

Die Angst ist unbegründet. Selten waren die Chancen für Jobsuchende so gut wie heute. In Mecklenburg-Vorpommern steigt die Zahl der Arbeitsplätze, in ganz Deutschland gibt es ein Rekordangebot an freien Stellen, tausende Ausbildungsplätze sind unbesetzt. Außerdem dürfen Asylsuchende erst einen Job annehmen, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger dafür in Frage kommt. Es gilt diese Prognose: Schon 2030 könnten hierzulande sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen.

Grundsätzlich unterliegen auch Flüchtlingskinder der Schulpflicht und haben ein Recht auf Unterricht. Dieser startet nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es so genannte Standortschulen. Dort können die Kinder in Intensivkursen Deutsch lernen und sollen möglichst früh am Klassenunterricht teilnehmen. Vorrangig für diese Schulen werden Lehrerinnen und Lehrer fortgebildet und speziell geschulte Pädagogen eingestellt.

Eine Statistik kommt zu einem anderen Ergebnis. Demnach sind 90 Prozent zur Schule gegangen, 15 Prozent waren auf einer Hochschule. Der Bildungsstand kann aber auch höher sein. Syrer zum Beispiel sind in der Regel gut ausgebildet. Für Integration ist das eine wichtige Voraussetzung. Weiterer Vorteil: Ein Viertel der Flüchtlinge ist nicht älter als 25 Jahre. Und jungen Menschen fällt es leichter, sich für einen Beruf zu qualifizieren.

Nicht nur in Syrien besitzt ein Großteil der Bevölkerung ein Handy. Vor allem weil Kabelnetze fehlen, sind Mobiltelefone verbreitet. Flüchtlinge nutzen Prepaid-Karten und telefonieren mit Skype, was mit einem älteren Handy nicht möglich ist. Deshalb das Smartphone. Sie halten so Kontakt zur Familie. Das Mobiltelefon ist zudem ein wichtiges Hilfsmittel, um die Flucht zu organisieren. Viele Smartphones haben zum Beispiel eine GPS-Funktion.

Weil die Einreise auf legalem Weg kaum möglich ist. Flüchtlinge müssen es über das Land und das Meer versuchen. „Für Männer erscheinen die Chancen höher, diese Strapazen zu überstehen“, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der Stärkste wird ausgewählt, um die Familie später nachzuholen. Außerdem verlangen Schlepper viel Geld. 1000 US-Dollar kostet allein der Seeweg von der Türkei nach Griechenland, berichten Flüchtlinge. Pro Person. Nicht pro Familie.

„Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat inzwischen ca. 2.000 Flüchtlinge aufgenommen. Das sind immer noch weniger als 1% der übrigen Bevölkerung.
Nein, es hat seitdem nicht mehr Ladendiebstähle gegeben.
Nein, es hat seitdem nicht mehr Wohnungseinbrüche gegeben.
Nein, es hat seitdem nicht mehr Fahrraddiebstähle gegeben.
Nein, es hat seitdem nicht mehr Messerstechereien oder Vergewaltigungen gegeben.“
(Quelle: Polizei Vorpommern-Greifswald, facebook)

So lautete im Oktober 2015 die Antwort der Polizei Vorpommern-Greifswald auf die wilden Gerüchte im Internet. Und heute? Der Landkreis hat inzwischen mehr als 4.000 Flüchtlinge aufgenommen. Dass diese häufiger straffällig werden als andere Menschen, kann die Polizei nicht bestätigen. Richtig bleibt: Es gibt kriminelle Flüchtlinge, genauso wie es kriminelle Deutsche gibt.

Hinter ihnen liegt oft ein langer Weg, viele sind geschwächt, alle müssen auf engstem Raum zusammenleben. Die harten Bedingungen machen Flüchtlinge anfälliger für Krankheiten. Grund zur Sorge sei das jedoch nicht, teilt das Robert-Koch-Institut mit. Nach ihrer Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung werden sie untersucht und bei Bedarf geimpft. In Mecklenburg-Vorpommern wurden bislang nur in Einzelfällen ansteckende Krankheiten entdeckt.

Die meisten Flüchtlinge kommen aus Bürgerkriegsländern. Sie sind vor dem Terror geflüchtet. Zwar müsse man wachsam sein, ob der Flüchtlingsstrom zur Einschleusung von Terroristen missbraucht werde, dennoch dürfe man beide Themen nicht in einen Topf werfen, so das Bundesinnenministerium. Gefahr geht eher von jenen aus, die Deutschland verlassen haben, um auf Seiten militanter Islamisten zu kämpfen. Sie könnten zurückkehren.

Salafisten und ihre Drohungen, der „Islamische Staat“ und seine Gewalttaten: Viele machen dafür den gesamten Islam verantwortlich. Der Islam jedoch lässt sich nicht auf ein Bild reduzieren. Auch nicht nach den Übergriffen in Köln und anderen Städten. Verschweigen darf man Probleme nicht. In der Diskussion geht es vor allem um die Haltung zum Thema Gewalt und um das Frauenbild im Islam. Allerdings: In Deutschland leben vier Millionen Muslime. Und zwar friedlich.

Die wichtigste Voraussetzung wird von den allermeisten Flüchtlingen erfüllt. Sie wollen sich integrieren. Was dabei hilft: Sprachkurse, Plätze für Kinder in Schulen und Kitas, bezahlbarer Wohnraum, Ausbildung und Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Stern Buchholz bei Schwerin hat das Land zum Beispiel ein Integrationsbüro eingerichtet. Was allen klar ist: Integration bleibt eine große Aufgabe. Sie kann gelingen, aber es wird dauern.

Sie haben Menschen am Rostocker Hauptbahnhof mit Essen und Trinken versorgt. Sie haben Kleiderkammern in Schwerin aufgebaut. Sie geben Deutschunterricht, werden Familienpaten, gründen Initiativen und Netzwerke. In Mecklenburg- Vorpommern setzen sich tausende Freiwillige für Flüchtlinge ein. Es sind stille Helfer, die vor Monaten einfach losgelegt haben. Weshalb sie das tun? Weil es menschlich ist, in der Not zu helfen.

Kontakt

Landeszentrale für politische Bildung
Mecklenburg-Vorpommern

Tel: 0385 - 58818950
E-Mail:poststelle(at)lpb.mv-regierung.de

Mehr Informationen

Beratungsnetzwerk in MV
www.beratungsnetzwerk-mv.de

20 Fragen. 20 Antworten (komplettes Heft)

Leseempfehlung (Auswahl)


Karl-Heinz Meier-Braun / Reinhold Weber (Hrsg.):

Deutschland Einwanderungsland. Begriffe - Fakten - Kontroversen.

Stuttgart 2017 | 315 Seiten

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