Polen ist Deutschlands zweitgrößter Nachbar, mit einer Fläche von etwa 312.000 km² und einer Bevölkerung von ca. 38 Millionen Einwohnern. Es ist seit 1999 Mitglied der NATO und seit 2004 Mitglied der EU – ein gewichtiger Spieler, der bereits mehrfach gezeigt hat, daß er sich nicht mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen will. Wer Polen verstehen will, muß seine Geschichte kennen. Wohl noch mehr als in Deutschland ist das historische Bewußtsein in Polen ausgeprägt und beeinflußt die Wahrnehmung und Bewertung der Umwelt – und damit auch die Position Polens zu politischen Fragen.
(von Thomas Winter)
Polen trat 966 auf die Landkarte Europas. Um 1000 herum lag sein Herrschaftsgebiet ungefähr dort, wo Polen auch heute liegt. Feudale Zersplitterung und Kriege führten allerdings zu einer Germanisierung der westlichen Landesteile. Diese lief friedlich und auf Betreiben polnischer Fürsten ab, die ihre Gebiete wirtschaftlich entwickeln und kriegsbedingte Bevölkerungsverluste kompensieren wollten. 1226 holte zudem Konrad von Masowien den Deutschen Orden ins Land, der für ein kleines Stück Land um Thorn und Kulm herum die heidnischen Prußen unterwerfen sollte. Der Orden expandierte jedoch weit über das Kulmer Land hinaus und beherrschte bald große Teile des heutigen Baltikums.
Erst im 14. Jahrhundert konnte Polen wiedervereinigt und unter König Kasimir dem Großen zu neuer Blüte geführt werden. Durch den Verlust Pommerns und Schlesiens war es allerdings nach Osten abgedrängt worden. Da Kasimir keinen Sohn hinterließ, bestieg 1386 der litauische Großfürst Jagiello den polnischen Thron und begründete die polnisch-litauische Personalunion. Die polnischen Könige waren seither gleichzeitig auch Großfürsten von Litauen und herrschten damit über weite Flächen Osteuropas, da Litauen damals um ein Vielfaches größer war. Ein polnisch-litauisches Heer schlug 1410 den Deutschen Orden bei Tannenberg und beendete dessen Expansion – Polen-Litauen wurde zur Großmacht, geriet jedoch nun von Süden durch das Osmanische Reich und von Osten durch das Großfürstentum Moskau unter Druck. Moskau verstand sich als Nachfolger der Kiewer Rus, des ersten slawischen Großreiches, dessen Gebiete nun weitgehend zu Litauen gehörten. Das Resultat war ein ständiger Kriegszustand zwischen den beiden Mächten. Die westliche Grenze zum Heiligen Römischen Reich hingegen blieb jahrhundertelang friedlich.
Dies änderte sich im 18. Jahrhundert. Polen-Litauen war 1569 zu einem einheitlichen Staatswesen vereinigt worden, das noch heute als 1. Polnische Republik gilt. Der Adel – mit etwa 10% eine ungewöhnlich große Bevölkerungsschicht – genoß weitgehende Privilegien, der König wurde nur noch gewählt und besaß keine sehr machtvolle Stellung mehr. Resultat war die „Goldene Freiheit“, eine Zeit der kulturellen Blüte und der religiösen Toleranz, die Juden aus ganz Europa anzog – selbst die Gegenreformation lief gewaltlos ab. Egoismus, mangelnder Zusammenhalt und die Wahl nicht-polnischer Könige machten das Land jedoch anfällig für die Einflußnahme äußerer Mächte. Auch wenn König Jan III. Sobieski das europäische Heer befahl, das 1683 bei Wien die Türken schlug, war die Glanzperiode Polens schon damals fast vorbei. Innenpolitisch zerrissen, reformunfähig und Opfer von Verrat, wurde Polen Ende des 18. Jahrhunderts von Rußland, dem Habsburgerreich und dem aufstrebenden Preußen in mehreren Schritten aufgeteilt – und die einstige Großmacht verschwand 1795 einfach von der Landkarte.
In den napoleonischen Kriegen und mehreren Aufständen kämpften die Polen in den folgenden 123 Jahren erfolglos für die Wiedererrichtung ihres Staates. In dieser Zeit entstanden die wichtigsten Werke polnischer Literatur und die enge Verschmelzung nationaler und religiöser Identität, da mangels Staat für die Entwicklung eines polnischen Nationalbewußtseins nur Sprache, Kultur und Religion blieben. In Preußen und besonders in Rußland wurden Sprache und Kultur der Polen dabei massiv unterdrückt. Erst das Ende des Ersten Weltkrieges brachte Polen 1918 zurück auf die Landkarte. Während die Westgrenze der „Zweiten Republik“ auf der Friedenskonferenz in Versailles festgelegt wurde, gewann Polen unter dem Staatsgründer Józef Piłsudski einen fast schon verlorenen Krieg gegen das nach Westen drängende Sowjetrußland („Wunder an der Weichsel“) und konnte einen Teil seiner früheren östlichen Gebiete zurückerobern. Dazu gehörten auch die Städte Wilna und Lemberg als traditionelle polnische Kulturzentren. Die Zwischenkriegszeit war unruhig: Nach innen bestimmten autoritäre Tendenzen und Nationalitätenkonflikte im Vielvölkerstaat die Agenda, während die Beziehungen vor allem zu Deutschland, zur Sowjetunion und zum nun unabhängigen Litauen schwer belastet waren.
1939 teilten Hitler und Stalin Polen ein weiteres Mal. Polen, „diese Mißgeburt des Versailler Vertrages“ (Molotow), war erneut von der Landkarte getilgt, und dieses Mal sollte es auch als Kulturnation vernichtet werden. Während der sowjetische Geheimdienst rund 22.000 Vertreter der Elite – Offiziere, Polizisten, Geistliche und andere Intellektuelle – in einer konzertierten Aktion ermordete („Massaker von Katyń“), vertrieb Deutschland die Polen aus den annektierten Gebieten ins „Generalgouvernement“, das als Reservoir für ungelernte Arbeitskräfte mit nur minimaler Schulbildung dienen sollte. Das Generalgouvernement war auch Hauptschauplatz des Holocaust. Insgesamt verloren rund sechs Millionen polnische Bürger, fast alle Zivilisten und die Hälfte davon Juden, im Zweiten Weltkrieg ihr Leben. Bis zu 200.000 starben binnen weniger Wochen im Warschauer Aufstand, der 1944 losbrach und von deutscher Seite brutal niedergeschlagen wurde. Weite Teile der Hauptstadt waren danach eine Trümmerwüste. Obwohl Polen zu den größten Truppenstellern der Anti-Hitler-Koalition gehörte – die meisten kämpften im Exil – opferten die Westalliierten das Land dem Bündnis mit Stalin. Polen wurde gegen seinen Willen zu einem sowjetischen Satellitenstaat.
Mit insgesamt fünf teilweise blutig niedergeschlagenen Erhebungen war die Volksrepublik Polen der Unruheherd des Ostblocks schlechthin. 1980 formierte sich die legendäre Gewerkschaft „Solidarność“ („Solidarität“), die schnell zu einer Massenbewegung für mehr Freiheit und Demokratie wurde und mit knapp zehn Millionen Mitgliedern mehr als 25% der Bevölkerung umfaßte. Die Führung machte vorübergehend Zugeständnisse, aber die Freiheit währte nur kurz: Im Dezember 1981 wurde für eineinhalb Jahre das Kriegsrecht verhängt, die Opposition wieder unterdrückt und viele ihrer Führer verhaftet. Die erneute Unterdrückung währte, auch wegen der Machtübernahme Gorbatschows in der Sowjetunion, jedoch nicht lange. Die kommunistische Führung nahm 1988 Kontakt zum demokratischen Untergrund auf, weil der Legitimationsverlust ihre Einbeziehung unumgänglich machte. Anfang 1989 wurde am legendären „Runden Tisch“ eine Reform des Systems mit „halbfreien“ Wahlen beschlossen, die für die Kommunisten zum Fiasko wurden und zur ersten nichtkommunistischen Regierung des gesamten Ostblocks unter Tadeusz Mazowiecki führten. Die vernichtende Niederlage des Regimes und der Druck durch die Bevölkerung führten schließlich zur freien Wahl des Solidarność-Führers Lech Wałęsa zum Präsidenten und 1991 zu den ersten völlig freien Parlamentswahlen. Die Dritte Polnische Republik war geboren.
Nach 1989 lag eine Herkulesaufgabe vor Polen: Nicht nur die politische Transformation zur Demokratie, auch die ökonomische Transformation zur Marktwirtschaft galt es zu bewältigen. Anders als viele andere Länder Ost- und Ostmitteleuropas setzte die neue Regierung dabei auf die vom Finanzexperten Leszek Balcerowicz konzipierte „Schocktherapie“ – zum 1. Januar 1990 wurde das planwirtschaftliche System in weiten Teilen über Nacht auf die Marktwirtschaft umgestellt. Polen stürzte damit zwar in eine Rezession und sah sich mit einer vorher nicht bekannten Massenarbeitslosigkeit konfrontiert, erholte sich jedoch schnell wieder und konnte ab 1992 ununterbrochenes Wachstum vermelden – sogar im Krisenjahr 2009 verzeichnete Polen als einziges EU-Land ein Plus. Damit hebt sich Polen von vielen anderen Transformationsstaaten ab, die zum Teil nur langsam wieder auf die Füße kamen und in der Folgezeit auch Rezessionen zu verzeichnen hatten.
Heute ist Polen eine moderne Marktwirtschaft. Zwar hat das Wohlstandsniveau noch nicht mit dem Westeuropas gleichgezogen, aber arm ist Polen auch nicht mehr. Nach dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zählt es zu den 60 reichsten Ländern der Welt, in der Rangliste der Wirtschaftsmächte liegt es auf Platz 24. Knapp zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes werden über Dienstleistungen erwirtschaftet, rund 30% durch die Industrie, und unter 5% durch die Landwirtschaft.
In diversen traditionellen Branchen wie dem Möbel- und Automobilbau oder der Produktion von Haushaltsgeräten ist Polen stark und teilweise Marktführer. Dabei investieren nicht nur ausländische Produzenten in neue Fabriken in Polen, mittlerweile expandieren auch polnische Unternehmen und Marken zunehmend global. Gleichzeitig modernisiert das Land sich rasant. So ist die polnische Computerspielindustrie mittlerweile eine der erfolgreichsten weltweit, der Markt für Unternehmensdienstleistungen boomt, und verschiedene Hightech-Branchen verzeichnen ein hohes Wachstum. Im Bloomberg Innovation Index liegt Polen derzeit auf Platz 22 – direkt hinter China.
Dabei ist Polen regional auffällig geteilt: Der reichere Teil der Bevölkerung lebt nicht nur in den Städten, sondern vor allem auch in den westlichen Teilen des Landes, den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Das hängt neben der Bevölkerungsstruktur unter anderem damit zusammen, daß die Infrastruktur besser ausgebaut ist und nur hier die Kollektivierung der Landwirtschaft in kommunistischen Zeiten erfolgreich war. Im Osten und Süden des Landes hingegen wirken die gewollte Unterentwicklung durch die russischen Herrscher und die kleinbäuerlichen Strukturen, gegen deren Abschaffung sich die Bevölkerung im Kommunismus erfolgreich gewehrt hat, noch immer nach. Die immer noch vorhandene Armut und hohe Arbeitslosenquoten sind vor allem hier zu finden. Landesweit liegt die Arbeitslosigkeit je nach Berechnungsmethode nur noch bei etwa 6-8%, wozu auch der EU-Beitritt einiges beigetragen hat: Bis zu zwei Millionen Polen sind nach 2004 zeitweise oder dauerhaft ausgewandert.
Seit der Machtübernahme der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) im Jahr 2015 steigt das Haushaltsdefizit unter anderem aufgrund einer intensivierten Sozialpolitik, und kurzfristig verschlechterten einige Ratingagenturen ihren Ausblick für Polen. Der Ausblick hat sich Ende 2017 jedoch stabilisiert, so dass Polen wirtschaftlich mittelfristig weiterhin sehr gut aufgestellt ist. Eine der größten Herausforderungen in der nächsten Zukunft wird der Austritt Großbritanniens aus der EU sein. Nicht nur ist Polen größter Profiteuer der Finanztransfers innerhalb der EU, Großbritannien ist auch bislang zweitgrößter Abnehmer polnischer Exporte – und mittlerweile Heimat für fast eine Million ausgewanderter Polen.
Polen ist eine parlamentarische Demokratie – die Regierung ist von der Parlamentsmehrheit abhängig und kann von ihr gestürzt werden. Allerdings hat der Präsident, da er direkt gewählt wird, mehr Kompetenzen als der deutsche Bundespräsident. So wirkt er an der Gestaltung der Außenpolitik mit und kann aus politischen Gründen ein Veto gegen Gesetze einlegen – das allerdings mit einer 3/5-Mehrheit (60%) vom Parlament überstimmt werden kann. Vor allem diese Blockademöglichkeit und die unklare Kompetenzabgrenzung in der Außenpolitik sind Grund für immer wiederkehrende Debatten über eine Änderung der Verfassung. Aufgrund der mittlerweile starken gesellschaftlichen Spaltung ist auch die Aufgabe des Präsidenten, hochrangige Staatsbedienstete wie z.B. vom Parlament gewählte Verfassungsrichter sowie Generäle oder Botschafter formal zu ernennen, mittlerweile Gegenstand von Diskussionen. Grund ist, dass einige Präsidenten etwa durch die Verweigerung von Ernennungen – auch aus parteipolitischen Gründen – mehr Einfluss auf die Postenbesetzung genommen haben, als ihnen Verfassungsrechtler zugestehen.
Das Parlament besteht aus zwei Kammern: dem Sejm mit 460 Abgeordneten und dem Senat mit 100 Senatoren. Der Senat wurde während der Verhandlungen am Runden Tisch eingeführt und ist nach der vollständigen Demokratisierung immer wieder Gegenstand von Diskussionen, da er nach Meinung von Kritikern keine Daseinsberechtigung mehr hat. Er erfüllt allerdings eine wichtige Korrekturfunktion für die vom Sejm verabschiedeten Gesetze, da diese handwerklich nicht immer gut gemacht sind.
Der Sejm wird alle vier Jahre nach Verhältniswahlrecht gewählt. Dabei gilt, ähnlich wie in Deutschland, eine 5%-Sperrklausel. Wenn mehrere Parteien sich zu Wahlbündnissen zusammenschließen, liegt die Hürde bei 8% der Stimmen. Immer am selben Tag wird auch der Senat neu gewählt, allerdings nach Mehrheitswahlrecht in den einzelnen Wahlkreisen. Die Wahlbeteiligung ist regelmäßig niedrig und liegt im Regelfall zwischen 40 und 50%.
Als zusätzliches Kontrollelement hat Polen ein Verfassungsgericht, das ähnlich dem deutschen funktionierte, bis die amtierende PiS-Regierung nach ihrem Amtsantritt weitreichende Änderungen vorgenommen hat.
Administrativ ist Polen in 16 Wojewodschaften unterteilt, die jedoch keine Staatsqualität haben wie die 16 deutschen Bundesländer. Sie sind aber auch mehr als einfache Verwaltungsbezirke: Dem Wojewoden als Vertreter der Zentralregierung stehen ein gewähltes Regionalparlament und ein Marschall als Chef der regionalen Exekutive gegenüber. Es handelt sich also um einen Mischtyp.
Ähnlich wie die wirtschaftlichen Verhältnisse folgen die Wahlergebnisse seit der Wende einer auffälligen Teilung, die den früheren Teilungsgebieten entspricht: In den früheren deutschen Ostgebieten sowie den großen Städten sind proeuropäische, liberalere Parteien erfolgreich, während die früher russischen und damit eher schwach strukturierten Gebiete konservativer und nationalistischer wählen. Eine der konservativsten Regionen ist das Karpatenvorland im Südosten Polens, das früher zu Österreich-Ungarn gehörten und als einzige Woiwodschaft ein Regionalparlament mit PiS-Mehrheit hat.
Während die ehemaligen Blockparteien in demokratisierter Form bis heute existieren, war das ehemalige Oppositionslager zunächst sehr instabil. Erst seit 2001 ist dieses „Post-Solidarność-Spektrum“ halbwegs stabilisiert, auch wenn weiterhin Parteien neu entstehen oder verschwinden. Traditionelle christdemokratische Parteien im westeuropäischen Sinne existieren aus historischen Gründen nicht. Das deutsche Rechts-Links-Schema funktioniert in Polen übrigens auch nicht – hier ist es nicht unüblich, daß weltanschaulich „linke“ Parteien eher marktwirtschaftlich und weltanschaulich „rechte“ Parteien eher sozialstaatlich orientiert sind.
Während Polen von 1991 bis 2005 stets einen Wechsel von Post-Solidarność- und postkommunistischen Regierungen erlebt hatte, spielt die postkommunistische SLD seit 2005 nur noch eine Nebenrolle. Seitdem wechseln sich von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) und von der „Bürgerplattform“ (Platforma Obywatelska, PO) geführte Regierungen ab.
Die PO ist aus der Solidarność hervorgegangen und kann als konservativ-liberal und pro-europäisch bezeichnet werden. Sie errang 2007 als „Kaczyński-Verhinderer“ einen überragenden Wahlsieg. Die von einer Koalition mit der PSL getragene Regierung war 2011 die erste in der polnischen Nachwendegeschichte, die ihre Mehrheit verteidigen konnte. 2010 bis 2015 war zudem der PO-Politiker Bronisław Komorowski Staatspräsident. Die Regierung wurde allerdings zunehmend kritisiert, da sie trotz dieser komfortablen Situation viele Probleme nicht energisch genug anging und sich zudem in der vermeintlich sicheren Position als „Bollwerk gegen die PiS“ immer weniger um die Wähler bemühte. Diverse Skandale und Affären taten ihr Übriges. 2015 wurde die von der PO geführte Koalition abgewählt.
Die PiS ist ebenfalls eine konservative Solidarność-Nachfolgerin. Die „Law-and-Order“-Partei kann als nationalistisch, europaskeptisch und dezidiert antikommunistisch eingeschätzt werden. Wirtschaftlich vertritt sie jedoch einen eher wohlfahrtsstaatlichen Ansatz. Insbesondere vertritt sie die Auffassung, dass der Systemwechsel 1989 nicht vollständig vollzogen worden sei und stattdessen „Seilschaften“ alter kommunistischer Eliten und willfähriger ehemaliger Oppositioneller Polen beherrschen. Eine Kernforderung der PiS ist daher eine konsequente Entkommunisierung und Säuberung der öffentlichen Institutionen von diesen „Seilschaften“.
Die Partei wird vom Vorsitzenden Jarosław Kaczyński sehr hierarchisch geführt, so daß sie teils auch als „Führerpartei“ bezeichnet wird. Kritiker wurden bereits mehrfach kaltgestellt oder aus der Partei ausgeschlossen. Die PiS, die 2005-2010 mit Kaczyńskis Zwillingsbruder Lech auch den Präsidenten stellte, wurde zudem bereits 2005-2007, als sie das erste Mal regierte, für ihre autoritäre Regierungsweise, ihre Missachtung demokratischer und rechtsstaatlicher Standards und ihr aggressives Auftreten kritisiert. Diese Züge haben nach dem Flugzeugunglück von Smolensk im April 2010 weiter zugenommen, zudem rückte die PiS nach dem Machtverlust 2007 immer enger mit rechtsradikalen Gruppierungen und dem nationalistisch-konservativen Flügel der katholischen Kirche um den Thorner Pater Tadeusz Rydzyk zusammen. Die Radikalisierung führte auch dazu, dass eine Reihe teils prominenter PiS-Mitglieder austraten und sich entweder der PO anschlossen oder eigene Parteien gründeten. Fast keiner davon waren jedoch nennenswerte Wahlerfolge beschieden.
Das postkommunistische „Bündnis der demokratischen Linken“ (Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) ist aus der polnischen KP hervorgegangen, hat sich aber schnell zur Sozialdemokratie reformiert. Dieser Wandel ermöglichte es ihr zweimal, die Regierung zu führen, und der ehemalige Parteifunktionär Aleksander Kwaśniewski war nicht nur zehn Jahre lang (1995-2005) Staatspräsident, sondern auch der beliebteste Politiker des Landes. Durch Skandale und Affären stürzte die SLD nach einem überragenden Wahlsieg von 2001 allerdings massiv ab – seit 2005 bewegt sie sich nur noch im ein- oder knapp zweistelligen Prozentbereich, obwohl sie häufig im Bündnis mit kleineren linken Parteien antritt.
Die Polnische Volkspartei (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL) ist ebenfalls eine reformierte Blockpartei und die einzige, die eine klar definierte sozioökonomische Zielgruppe hat – die Bauern. Die PSL ist zwar klein, aber nach allen Seiten kooperationsfähig, und war deswegen auch bereits an vielen Regierungen beteiligt. Ihre Wählerschaft wird allerdings zusehends kleiner, und schon seit Jahren bewegt sie sich in den Umfragen und Wahlen knapp über oder unter der 5%-Hürde.
Neu ins Parlament gewählt wurde bei den Wahlen 2015 die Partei „Nowoczesna“ („Die moderne“). Sie wurde erst Mitte 2015 vom Ökonomen Ryszard Petru gegründet und erhielt wenige Monate später 7,6% der Stimmen. Programmatisch ähnelt Nowoczesna der PO, wobei sie sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftspolitisch liberaler eingestellt ist. So befürwortet sie eingetragene Lebenspartnerschaften, während diese in der PO weiterhin umstritten sind.
Weiterhin neu ins Parlament gewählt wurde die Gruppierung „Kukiz ‘15“, gegründet vom Rockmusiker Paweł Kukiz. Dieser hatte bereits in den Präsidentschaftswahlen im selben Jahr mit 21% der Stimmen den dritten Platz belegt. Die nicht offiziell als Partei registrierte Vereinigung wurde mit 8,8% der Stimmen drittstärkste Kraft und trat vor allem mit der Forderung nach einem Änderungen des Wahlrechts an. Sie ist dem rechtspopulistischen und euroskeptischen Spektrum zuzuordnen und kooperiert mit rechtextremen Strömungen. Obwohl sie keine Koalition mit der PiS bildet, hat sie diese insbesondere bei den Änderungen des politischen Institutionengefüges nach der Wahl gestützt.
Polen ist ein sehr katholisches Land, und die Kirche gilt großen Teilen der Bevölkerung weiterhin als moralische Autorität, auch wenn sich Polen immer mehr säkularisiert – derzeit sind „nur noch“ 87% der Polen Katholiken. Das traditionell hohe Ansehen der Kirche hat auch mit ihrer Rolle während der Teilungszeit (als national einigende Institution) und während des Kommunismus (als Ort zivilgesellschaftlicher Begegnung und Verteidigerin von Bürgerrechten) zu tun – und mit Johannes Paul II., dem polnischen Papst. Dieser symbolisiert nicht nur die weltpolitische Geltung des kleinen Polen, sondern hat mit moralischer Unterstützung auch viel zum Sturz des Kommunismus beigetragen. In ihm verschmolzen die Eigenschaften eines religiösen Führers und eines Nationalhelden – entsprechend versank Polen nach seinem Tod 2005 in tiefer Trauer.
War Johannes Paul II. noch ein einigendes Element gewesen, zeigt sich immer deutlicher eine sich vertiefende Spaltung der Polen in Hinblick auf die Kirche und ihre Lehren. Während große Teile der polnischen Gesellschaft immer liberaler werden, einen immer westlicheren Lebensstil pflegen und auch ihre Bindung zur Katholischen Kirche schwächer wird, bleibt ein anderer, erheblicher Teil der Bevölkerung einem extrem konservativen Katholizismus verhaftet. Daher entzündet sich immer wieder Streit an gesellschaftspolitischen Fragen wie der Ehe (selbst Initiativen für eingetragene Lebenspartnerschaften sind wiederholt gescheitert), dem Abtreibungsrecht (Verschärfungen werden diskutiert, obwohl es bereits eines der restriktivsten Europas ist) oder der künstlichen Befruchtung.
Nach der Wahlniederlage von 2007 begann im Zuge der zunehmenden Radikalisierung der PiS auch eine immer engere Zusammenarbeit mit dem Milieu um den Thorner Pater Tadeusz Rydzyk. Dieser hat nach der Wende, beginnend mit dem Radiosender „Radio Maryja“, ein weit reichendes und auch innerhalb der polnischen Kirche umstrittenes Medienkonglomerat aufgebaut, das neben dem Fernsehsender „TV Trwam“ und der Tageszeitung „Nasz Dziennik“ auch eine Medienhochschule zur Nachwuchsausbildung umfasst. Neben den öffentlichen Rundfunksendern, die nach dem Wahlsieg der PiS 2015 massiv umgebaut wurden, gehören die Rydzyk-Medien zu den wichtigsten Sprachrohren der PiS, gleichzeitig verfolgt Rydzyk selbst eine eigene sehr konservative, nationalkatholische Agenda. Seit Amtsantritt der neuen Regierung fließen zudem erhebliche Summen aus dem Staatshaushalt an seine Einrichtungen.
Auch jenseits des Rydzyk-Milieus gibt es eine ideologische Nähe zwischen der PiS und der konservativen Mehrheit des polnischen Episkopats. Trotz einer Abneigung großer Teile der Bevölkerung gegen eine Einmischung der Kirche in die Politik unterstützen führende Bischöfe die PiS immer wieder im Wahlkampf und versuchen im Gegenzug, ihren Einfluss auf die PiS-Wählerschaft für die eigene politische Agenda zu nutzen. Anfang 2016 unterstütze die Kirche mit einem Hirtenbrief, der in allen Gottesdiensten verlesen wurde, eine Initiative für ein vollständiges Abtreibungsverbot. Massive zivilgesellschaftliche Proteste der mehrheitlich gegen eine Verschärfung eingestellten Bevölkerung brachten das Projekt allerdings vorerst zum Scheitern.
Das wichtigste außenpolitische Ziel Polens war nach der Wende Sicherheit – nie wieder wollte man Spielball von Großmächten werden, nie wieder besetzt, geteilt und unterdrückt werden. Während anfangs noch Alternativen diskutiert wurden, drängte Polen nach dem sowjetischen Putsch 1991 und der russischen Verfassungskrise 1993 mit aller Macht in die NATO und in die EU. Sicherheit bedeutete vor allem Sicherheit vor einem instabilen, im schlimmsten Falle neoimperialistischen Russland – eine Haltung, die ab 1993 auch die ehemaligen Systemparteien teilten. Der EU-Beitritt hatte dabei teils auch sicherheitspolitischen Charakter: als Integration Polens in den sicheren Westen, weg von der russischen Einflußsphäre und weg von der unsicheren „Zwischenlage“ in Mitteleuropa. Primäres sicherheitspolitisches Ziel war jedoch die NATO-Mitgliedschaft, auch weil die USA als Garant für Polens Sicherheit betrachtet wurden. Europäischen Sicherheitsgarantien begegnete man eher mit Skepsis, hatten diese doch schon 1939 völlig versagt. 1999 unterschrieb der polnische Außenminister und frühere Oppositionelle Bronisław Geremek mit Tränen in den Augen den Beitrittsvertrag für Polen.
Das fehlende Vertrauen in Europa führte zur „Nibelungentreue“ Polens zu den USA, die sich auch 2003 während des Irakkrieges sowie in den Bemühungen um eine Partnerschaft im Rahmen des US-Raketenschildes zeigte. Transatlantische Kooperation, militärische Präsenz der USA in Europa, Erhalt der NATO als Verteidigungsallianz und möglichst enge Beziehungen zu den USA – das sind die klassischen Grundpfeiler polnischer Sicherheitspolitik. In den Jahren der PO-Regierung zeigte sich erstmals eine Lockerung dieser Haltung und eine europäischere Orientierung, ohne dass der Konsens wirklich aufbrach. Im Zuge der „Abhöraffäre“ wurden 2014 etwa Aufnahmen eines Restaurantgesprächs von Außenminister Radosław Sikorski veröffentlicht, in denen er das polnisch-amerikanische Bündnis als „wertlos“ und „gefährlich“ bezeichnete, da es die Polen in falscher Sicherheit wiege und zu konflikthaftem Verhalten gegenüber Deutschland und Russland verleite. Dieser Tabubruch, aber auch seine Wortwahl – er bezeichnete das seiner Meinung nach unterwürfige Verhalten der Polen als „Negertum“ – führten dazu, dass der mit Abstand am längsten amtierende Außenminister Polens nach Bekanntwerden der Aufnahmen zurücktreten musste.
Nach der Regierungsübernahme durch die PiS kam die traditionelle NATO-Orientierung wieder stärker zum Tragen; so wurde der NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016, der auch eine stärkere Präsenz von Bündnistruppen in den östlichen Bündnisstaaten mit sich brachte, zum Großereignis. Ein neues Wehrgesetz sieht zudem eine Aufstockung der Armee von 100.000 auf 130.000 Soldaten vor, hinzu kommt der Aufbau einer aus Bürgerwehren und Schützenverbänden bestehenden, bis zu 50.000 Personen starken „Territorialverteidigung“ als „fünfte Säule“ des polnischen Militärs. Diese Truppe soll zudem in Friedenszeiten auch „präventive Milizaufgaben“ gegen „nicht-militärische Bedrohungen“ wahrnehmen.
Kritiker halten diese Entwicklung für gefährlich, da sie den Einsatz z.B. gegen regierungskritische Demonstranten fürchten, und verweisen darauf, dass Mitglieder rechtsradikaler Gruppierungen einen erheblichen Anteil der Interessenten für diese neuen Einheiten ausmachen. Zudem wird der Regierung vorgehalten, sich sicherheitspolitisch allein auf eine klassische militärische Bedrohung durch Russland zu konzentrieren und der hybriden Konfliktstrategie des Kremls sowie internationalen Krisen außerhalb Europas kaum Beachtung zu schenken.
Die Integration in die Europäische Union war nach der Wende eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele Polens, und dies nicht nur aus wirtschaftlichen oder den erwähnten sicherheitspolitischen Gründen. Auch kulturell ging es um eine Rückkehr nach Europa, um den vielzitierten „Zivilisationssprung“ auf westliches Niveau. Die Polen sind eines der proeuropäischsten Völker des Kontinents – etwa 80% befürworten die Mitgliedschaft Polens in der EU.
Die angeschlagene linke Regierung konnte nach dem EU-Beitritt keine großen Akzente mehr setzen. Nach der Übernahme der Regierung durch die PiS prägte neben einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber einer weiteren Vertiefung der Integration ein ausgesprochen konfrontatives Auftreten die polnische Außen- und Europapolitik. Diese war nicht nur Ausdruck einer grundsätzlich sehr konfliktorientierten Haltung der polnischen Rechten, sondern auch mangelnden diplomatischen Geschicks. Letzteres drückte sich etwa in wiederholten Ultimaten und Vetodrohungen, mangelnden Bemühungen um die Bildung von Koalitionen, Unwissen um Verfahren und Gepflogenheiten sowie einer daraus resultierenden zunehmenden Isolierung in diversen politischen Fragen wieder. Die informellen regelmäßigen Konsultationen mit Deutschland und Frankreich („Weimarer Dreieck“) stellte Polen 2006 ein, nachdem in der linksalternativen Tageszeitung „taz“ eine Satire über die Kaczyński-Brüder erschienen war.
Nach dem Regierungswechsel 2007 gab sich Polen nicht weniger selbstbewusst, aber diplomatischer und kooperativer, so dass sich die Beziehungen zu den europäischen Partnern schnell verbesserten. Die Fähigkeit der neuen Regierung, wechselnde Koalitionen einzugehen, ohne Partner zu verprellen, sorgte für eine Reihe von Erfolgen wie der Errichtung der „Östlichen Partnerschaft“ oder einer erfolgreichen Interessenvertretung in den Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen 2014-2020.
Bis 2010 wurde die Europapolitik wiederholt von Konflikten mit Präsident Lech Kaczyński überschattet; so stritt man sich öffentlichkeitswirksam darum, wer Polen bei EU-Gipfeln vertreten sollte („Krieg um den Stuhl“), und der Präsident opponierte bis zum Ende heftig gegen den von ihm selbst mit ausgehandelten Vertrag von Lissabon. Dies änderte sich, als 2010 mit Bronisław Komorowski ein PO-Politiker in den Präsidentenpalast einzog. Die polnische Ratspräsidentschaft 2011 wurde allgemein als erfolgreich beurteilt, und zum zehnjährigen Jubiläum der EU-Mitgliedschaft wurde – jenseits der euroskeptischen Rechten – im In- und Ausland eine sehr positive Bilanz der Entwicklung und des Wirkens Polens in der EU gezogen. Viele Beobachter betonten, dass sich Polen zu einem respektierten und gewichtigen Mitglied entwickelt habe. 2014 wurde Ministerpräsident Donald Tusk schließlich zum EU-Ratspräsidenten gewählt, nachdem Jerzy Buzek, einer seiner Vorgänger, schon 2009-2012 Präsident des Europaparlaments gewesen war.
Das Verhältnis zu Deutschland hat sich nach der Wende – auch dank der klaren Regelung der Grenzfrage – sehr positiv entwickelt. Deutschland ist Polens wichtigster Wirtschaftspartner und verstand sich während des EU-Beitrittsprozesses als „Anwalt Polens“. Große Aufmerksamkeit erregte eine Rede von Außenminister Sikorski Ende 2011, in der er Deutschland zu mehr Führung bei der Rettung der Eurozone aufforderte und sagte, dass er Deutschlands Untätigkeit mehr fürchte als seine Macht. Die historische Aussöhnung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Polen gegenüber deutschen Aktionen über seinen Kopf hinweg immer noch sehr empfindlich ist. Vor allem, wenn es sich um deutsch-russische Verständigungen handelt, wie die Kontroverse um die Ostseepipeline deutlich gemacht hat. Insbesondere derart „realpolitische“ Konflikte, die über geschichtspolitische Meinungsverschiedenheiten hinausgehen, sind mitnichten lediglich populistischen Kräften zuzuschreiben, sondern Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung in der polnischen Außenpolitik. Dennoch wurden während der achtjährigen Regierungszeit der PO 2007-2015 der Ton in den bilateralen Beziehungen deutlich entschärft, selbst dort, wo es weiterhin Differenzen gab, etwa um ein angemessenes Gedenken an die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerade rechtspopulistische Kräfte versuchten regelmäßig, deutschlandfeindliche Stimmungen zu schüren, etwa mit Warnungen vor Restitutionsforderungen deutscher Vertriebener oder mit Forderungen nach Kriegsreparationen. Diese Taktik verfing allerdings in der breiten Bevölkerung immer weniger.
Zu Russland ist das Verhältnis schwieriger. Das hängt damit zusammen, dass sich Moskau im Gegensatz zu Berlin mit der Aufarbeitung der eigenen Verbrechen noch immer schwer tut. Hierzu zählen insbesondere das Massaker von Katyń und die Bewertung der „Befreiung“ Polens im Zweiten Weltkrieg. Aber auch nüchtern betrachtet bestehen große Interessengegensätze, vor allem, was den weiteren Weg der östlichen Nachbarstaaten Polens angeht. Während Polen diese möglichst im Westen verankert sehen möchte, versucht Russland, seine alte Einflusssphäre wiederzuerlangen. Die stets vorhandene und zuletzt wieder wachsende Skepsis Polens gegenüber Russland ist also nicht einfach als „Russophobie“ zu verstehen, zumal die Gaskrisen in der Ukraine und der Georgien-Krieg sowie zuletzt die russische Annexion der Krim und der vom Kreml befeuerte Konflikt im Osten der Ukraine durchaus für diese polnische Skepsis sprechen und Russlands aggressives Verhalten auch in anderen östlichen EU-Staaten für Angst sorgt.
Die osteuropäischen Länder sind für Polen deswegen wichtig, weil ihre Unabhängigkeit und Demokratisierung als Absicherung gegen eine mögliche Wiederkehr des russischen Imperialismus betrachtet wird. Daher ist dies auch der Schwerpunkt Polens in der gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union. Eine Sonderstellung nimmt dabei die Ukraine ein, die als strategisch wichtigstes Land in Osteuropa betrachtet wird. Hintergrund ist die in den 1970ern von Autoren der Pariser Exilzeitschrift „Kultura“ aufgestellte These, dass es nur Frieden zwischen Polen und Russland und damit Sicherheit vor Russland geben könne, wenn beide ihre Ansprüche auf die Ukraine aufgeben und dieser Unabhängigkeit und Demokratie zugestehen. Diese These wurde bald zu einem Fundament polnischer Ostpolitik und ist der Grund, wieso Polen immer wieder als „Anwalt der Ukraine“ im Westen auftritt, auch wenn beide Völker eine blutige Geschichte teilen und der Aussöhnungsprozess noch immer andauert. Auch jenseits großer Krisen setzen sich polnische Regierungen traditionell sehr für die Ukraine ein, etwa in Hinblick auf Einreiseerleichterungen für Ukrainer oder eine schrittweise Annäherung an EU und NATO.
Während Außenpolitik sowohl in Polen als auch in Deutschland Sache der nationalstaatlichen Ebene ist, bestehen zwischenstaatliche Beziehungen dennoch auch aus dem Austausch und der Zusammenarbeit zwischen regionalen und lokalen Akteuren. Die Beziehungen Mecklenburg-Vorpommerns zu Polen sind dabei erheblich von regionalen Dynamiken im Grenzgebiet sowie von den Interessen des Bundeslandes im Ostseeraum bestimmt. Ein Großteil der offiziellen Kontakte des Landes zu Vertretern Polens läuft daher über multilaterale Kooperationen wie den Ostseerat oder die Ostseeparlamentarierkonferenz. Beispiele hierfür sind der Protest gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Polen oder die Kooperation regionaler Tourismusverbände und den zuständigen Behörden und Ministerien.
Rein bilaterale Aktivitäten konzentrieren sich, abgesehen von der aktiven Mitarbeit Mecklenburg-Vorpommerns in der Deutsch-Polnischen Regierungskommission, stärker auf die unmittelbare Grenzregion. Das Bundesland unterhält formale Partnerschaften mit den beiden polnischen Woiwodschaften Westpommern und Pommern, die Aktivitäten wie Informations- und Kulturveranstaltungen, aber auch Kooperationen zwischen den Polizeikräften beinhalten. Auch arbeiten die Arbeitsämter auf beiden Seiten der Grenze zusammen, etwa um junge Polen für eine duale Berufsausbildung im Osten MVs zu gewinnen. Diese Kooperation findet auch im Kontext einer zunehmenden Ansiedlung polnischer Bürger auf der deutschen Seite der Grenze statt. Diese konnte in einigen Gemeinden des ehemaligen Kreises Uecker-Randow nicht nur den Wohnungsmarkt beleben und zum Erhalt von Kindergärten und Schulen beitragen. Auch haben sich mittlerweile zahlreiche polnische Unternehmer in der Region angesiedelt und schaffen dort Arbeitsplätze.
Auch unterhalb der staatlichen Ebene gibt es zahlreiche Kontakte. So bestehen in MV insgesamt mehr als 100 kommunale Partnerschaften, mehr als 70 Schulpartnerschaften sowie rund 40 Hochschulpartnerschaften mit dem Nachbarland. 1991 wurde das deutsch-polnische Gymnasium Löcknitz gegründet, das seit 2004 Europaschule ist. Zudem existieren Initiativen wie die Euroregion Pomerania und das informelle „Netzwerk Oder-Partnerschaft“, die grenzüberschreitende Projekte und multilaterale Kooperationen in verschiedenen Politikbereichen wie Tourismus, Wissenschaft oder Verkehr fördern.
Eine wichtige Zäsur in der polnischen Nachwendegeschichte stellt die Flugzeugkatastrophe von Smolensk dar. Am 10. April 2010 stürzte eine polnische Regierungsmaschine nahe Smolensk im Westen Russlands beim Landeanflug ab. An Bord waren das Präsidentenehepaar Kaczyński und 94 weitere Personen, darunter hochrangige Militärs, Abgeordnete, Mitglieder der Regierung und weiterer staatlicher Institutionen sowie polnische Personen der Zeitgeschichte. Die Delegation war auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 70. Jahrestages des Massakers von Katyń, dessen Schauplatz in der Nähe von Smolensk liegt.
Sowohl eine nach internationalen Regeln gebildete Untersuchungskommission in Russland als auch eine Untersuchungskommission der polnischen Regierung sowie die polnische Militärstaatsanwaltschaft untersuchten das Unglück. Alle Untersuchungen kamen im Wesentlichen zum selben Ergebnis: Hauptverantwortlich für das Unglück war die Besatzung der Maschine, die trotz extrem schlechter Sichtbedingungen einen Landeversuch unternommen, Navigationsfehler begangen und auf Warnsignale ihrer Instrumente nicht reagiert hatte. Die polnischen Untersuchungsberichte weisen weiterhin den russischen Fluglotsen eine Teilschuld zu, da sie mehrfach die Position des Flugzeugs falsch bestätigt und es trotz der Witterungsbedingungen unterlassen hatten, den Flughafen zu schließen.
Die Tragödie verursachte erhebliche politische Verwerfungen und wirkt bis heute nach. Zu den durch Kaczyńskis Tod vorgezogenen Präsidentschaftswahlen trat sein Zwillingsbruder Jarosław an gab sich versöhnlich. Nach dem Wahlsieg des PO-Politikers Komorowski, der bis dahin Sejmmarschall (Parlamentspräsident) und kommisarischer Staatspräsident war, wurde der Ton jedoch sehr schnell wieder aggressiver. Kaczyński erklärte, Komorowski sei von den Polen „aus Versehen“ gewählt worden und blieb, gemeinsam mit weiteren hochrangigen PiS-Vertretern, der Amtseinführung des neuen Präsidenten fern. Auch in der Folgezeit wurden Einladungen Komorowskis zur Zusammenarbeit, etwa im Nationalen Sicherheitsrat, ausgeschlagen.
Aus den Reihen der PiS bildete sich eine Parlamentariergruppe, die ihre eigenen Untersuchungen zum Absturz durchführte. Ihre teils widersprüchlichen Hypothesen liefen im Wesentlichen darauf hinaus, dass es sich um einen durch Russland als Urheber und die Regierung Tusk als Mitwisser zu verantwortenden Mordanschlag auf den Präsidenten gehandelt habe. Kritiker verweisen unter anderem darauf, dass keiner der beauftragten Gutachter Erfahrung mit der Untersuchung von Flugzeugunfällen habe und dass die Arbeiten der Gruppe nicht ergebnisoffen geführt, sondern von Beginn an Verschwörungstheorien favorisiert worden seien.
Die Vertreter der PiS und weiterer nationalistischer Gruppierungen intensivierten parallel die Unterscheidung zwischen einem „solidarischen Polen“ der Patrioten und einem „liberalen“ Polen von „Verrätern“. Der amtierenden Exekutive wurde zunehmend die Legitimität abgesprochen, Polen zu regieren. Auf den monatlich abgehaltenen Gedenkdemonstrationen vor dem Präsidentenpalast ließ sich Oppositionsführer Kaczyński gar als „wahrer Premierminister Polens“ ankündigen. Obwohl auch zahlreiche Vertreter der Bürgerplattform, darunter Regierungsmitglieder, sowie Vertreter der Streitkräfte und weitere Personen beim Absturz ums Leben kamen, wurde Präsident Kaczyński in den Mittelpunkt gestellt und eine Rhetorik intensiviert, welche die Regierung Tusk als Komplizen Moskaus für das Unglück verantwortlich machte und die Polarisierung zwischen den Lagern zunehmend vertiefte.
Wenige Tage nach dem Amtsantritt der PiS-Regierung im November 2015 wurde die offizielle Internetseite mit den polnischen Untersuchungsberichten vom Netz genommen. Der neue Verteidigungsminister Antoni Macierewicz bildete eine neue Untersuchungskommission, die den Absturz nochmals untersuchen sollte. Es fanden sich jedoch keine teilnahmebereiten Experten, die für eine derartige Kommission nach den geltenden internationalen Richtlinien qualifiziert waren und Erfahrungen mit der Untersuchung von Luftfahrtunglücken hatten. So wurde stattdessen eine direkt Macierewicz unterstellte Sonderkommission gegründet, die teils aus denselben Personen bestand, die schon in der Parlamentariergruppe gewirkt hatten. Im Rahmen der neuen Untersuchung wurde zudem unter massivem Protest von Angehörigen und Teilen der Öffentlichkeit damit begonnen, die Opfer zu exhumieren, um eventuelle Spuren von Sprengstoff feststellen zu können. Erste Untersuchungen, darunter des Präsidentenehepaares, konnten jedoch keine Sprengstoffspuren nachweisen. Die Exhumierungen werden noch bis 2018 andauern. Zudem muss seit April 2016 aufgrund einer Verfügung des Verteidigungsministers bei jeder Feierlichkeit, bei welcher das polnische Militär mitwirkt, der sogenannte „Smolensker Appell“ verlesen werden, in welchem die Opfer als „Gefallene“ bezeichnet werden.
Zum 7. Jahrestag des Absturzes stellte die Kommission einen Zwischenbericht vor und führte den Absturz auf bewusstes Fehlverhalten der russischen Fluglotsen sowie eine Bombenexplosion an Bord der Maschine zurück. Als zentraler Beleg hierfür gilt ein Sprengexperiment mit einem Nachbau der Passagierkabine, dessen Schadensmuster dem der polnischen Maschine ähnele.
Das Unglück und die vermeintlich Verantwortlichen haben die kommunistischen „Seilschaften“ als Hauptnarrativ der PiS und das damit einhergehende Feindbild mittlerweile ersetzt. Wie tief die Gräben zwischen den politischen Lagern mittlerweile sind, illustriert eine Begebenheit im Parlament Mitte 2017: Kaczyński schrie den Abgeordneten der PO vom Rednerpult des Sejms entgegen, sie sollten sich nicht ihre „verräterischen Mäuler“ über seinen Bruder zerreißen: „Ihr habt ihn vernichtet, ermordet, Ihr seid Kanaillen!“
Im Oktober 2015 gewann die PiS die Parlamentswahlen und erreichte mit nur 37,6% der Stimmen eine absolute Mehrheit im Parlament, weil mehrere Parteien an der 5%-Hürde gescheitert waren. Bereits einige Monate zuvor war der bisherige Europaparlamentarier Andrzej Duda als Kandidat der PiS zum neuen Präsidenten gewählt worden.
Die PiS gewann nach einem gemäßigten Wahlkampf, in dem vor allem Sozialreformen wie ein Kindergeld, eine Senkung des Rentenalters oder kostenlose Medikamente für Senioren versprochen wurden. Direkt nach den Wahlen wurden jedoch zunächst mit großer Eile ganz andere Projekte angegangen, die größtenteils nicht angekündigt worden waren; ohne mit einer verfassungsändernden Mehrheit ausgestattet zu sein, begann die Regierung mit einem in der polnischen Nachwendegeschichte beispiellosen Umbau des Staatswesens.
Als erstes wurde das Verfassungsgerichtsgesetz mehrfach und teils unter Bruch von Verfahrensregeln im Schnelldurchgang novelliert, gleichzeitig wurden mehrere Richterposten unter Umgehung der vorgeschriebenen Verfahren neu besetzt. Mehrere Urteile des Verfassungsgerichts, die diese Vorgänge und Gesetzesnovellen für verfassungswidrig erklärten, wurden entgegen der Verfassung entweder nur mit Verzögerung oder gar nicht im Gesetzblatt veröffentlicht und stattdessen von der Regierung schlicht ignoriert. Folge war, dass das Verfassungsgericht zunächst de facto handlungsunfähig gemacht und dann Schritt für Schritt mit PiS-nahen Personen besetzt wurde. Diese Vorgänge führten nicht nur zu Großdemonstrationen gegen die „Abschaffung des Rechtsstaates“, sondern auch zu heftiger Kritik der Venedig-Kommission des Europarates und der Europäischen Union, die mittlerweile ein Vertragsverletzungsverfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Polen eingeleitet hat. Die Möglichkeit des Europäischen Rates, selbst eine Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze festzustellen und Polen gegebenenfalls das Stimmrecht zu entziehen, wurde bislang nicht wahrgenommen, da das ebenfalls immer autoritärer regierte Ungarn hier bereits sein Veto angekündigt hat. Entsprechend gelassen geht die Regierung mit der Kritik um.
Auch anderweitig wird der Umgang der PiS mit der Justiz kritisiert: So verfügte Präsident Duda die Einstellung des Verfahrens gegen den in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs während der ersten PiS-Regierung zu Gefängnis verurteilten Mariusz Kaminski, damit dieser Geheimdienstkoordinator werden konnte. Obwohl Verfassungsrechtler verneinten, dass Duda dieses Recht habe, folgte die Justiz seiner Anweisung. Unter Zbigniew Ziobro, wegen dessen politischer Instrumentalisierung der Justiz nach 2007 die Ämter von Justizminister und Generalstaatsanwalt getrennt worden waren, wurden beide Ämter wiedervereinigt und mit erheblichen Durchgriffsrechten auf Staatsanwaltschaften und Gerichte ausgestattet. So hat Ziobro das weitgehende Recht, die Aufnahme oder Einstellung von Ermittlungen anzuordnen sowie die Besetzung von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu beeinflussen. Es besteht auch angesichts entsprechender Äußerungen der Regierung kein Zweifel, dass dies der politischen Kontrolle der Justiz dient. Als Kornel Morawiecki, Abgeordneter der Fraktion „Kukiz‘15“, im Sejm erklärte, dass das Recht „kein Heiligtum“ sei und auch gebrochen werden dürfe, wenn es dem „Wohl der Nation“ zuwiderlaufe, erntete er tosenden Applaus der gesamten PiS-Fraktion.
Die Beschneidung der Rechte der Justiz, insbesondere die Ausschaltung des Verfassungsgerichtes als Kontrollorgan, bereitete eine Reihe weiterer Maßnahmen vor. So wurde in verschiedenen Schlüsselbereichen, darunter der öffentlichen Verwaltung sowie den staatlichen Medien, die Besetzungsregeln für Führungspositionen so geändert, dass diese nun nicht mehr im Rahmen eines Auswahlverfahrens mit Ausschreibung besetzt werden. Stattdessen werden diese Posten nun per Ernennung durch die Regierung besetzt, und die Stelleninhaber können ebenso jederzeit wieder entlassen werden. Zudem wurden die formalen Qualifikationsanforderungen für diese Leitungsstellen teils erheblich gesenkt, so dass Kritiker vor einer Entprofessionalisierung wichtiger Institutionen warnen.
Die öffentlichen Medien sind seitdem, auch durch die Entlassung zahlreicher kritischer Redakteure, sehr regierungsfreundlich eingestellt. Chef des wichtigsten staatlichen Fernsehsenders TVP1 ist seit 2015 Jacek Kurski, früher Manager der Wahlkampagne von Lech Kaczyński und Urheber der Legende vom „Großvater in der Wehrmacht“. 2005 hatte Kurski das Gerücht in die Welt gesetzt, Donald Tusks Großvater habe sich im Krieg freiwillig zur Wehrmacht gemeldet. Später gab er gegenüber Journalisten zu, daß dies eine Lüge gewesen sei: „Aber das dämliche Volk kauft es.“ In Folge der veränderten Berichterstattung sind die Zuschauerzahlen des staatlichen Fernsehens und insbesondere des polnischen Pendants zur „Tagesschau“ erheblich gefallen. Im ersten Halbjahr 2017 war erstmals der Bezahlkanal „Polsat“ reichweitenstärkster Fernsehsender.
Auch das Demonstrationsrecht wurde eingeschränkt und auf regierungsfreundliche Demonstrationen hin zugeschnitten. So haben regelmäßig stattfindende Demonstrationen nun Vorrang und dürfen nicht durch Gegendemonstrationen gestört werden – eine offensichtliche Bevorzugung der von PiS-Anhängern durchgeführten monatlichen Versammlungen vor dem Präsidentenpalast zum Gedenken an die Opfer von Smolensk. Regierungskritische Demonstranten müssen hingegen mit immer schärferen Kontrollen und Repressionen durch die Polizei rechnen – ein Zustand, gegen den nicht nur die Opposition und weitere polnische Instanzen, sondern auch internationale Menschenrechtsorganisationen heftig protestieren.
Als mangelnder Respekt vor Recht und Gesetz wurde auch der Umstand kritisiert, dass nach einer Blockade des Rednerpults durch die Opposition der Haushalt für das Jahr 2017 von der Regierungsfraktion in einem Nebensaal verabschiedet wurde. Der Sicherheitsdienst verwehrte dabei den Abgeordneten der Opposition den Zugang zur Abstimmung, während mehrere Mitglieder der PiS-Fraktion sich nachweislich erst nachträglich in die Anwesenheitsliste eintrugen. Zudem muss sich Sejmmarschall Marek Kuchciński vorhalten lassen, wiederholt Oppositionsrechte zu beschneiden und Anträge der Oppositionsparteien zu ignorieren. Auch bereitet die Regierung derzeit für die Kommunalwahlen 2018 eine Änderung des Wahlrechts vor.
Jenseits liberaler, oft großstädtischer Milieus und einzelner Großdemonstrationen regt sich gegen diesen Abbau von Gewaltenteilung und Bürgerrechten nur wenig Protest, stattdessen bleiben die Zustimmungswerte für die PiS hoch. Beobachter führen dies darauf zurück, dass die Mehrzahl der Bürger die für sie teils abstrakten Veränderungen bislang noch nicht am eigenen Leib spüre, viele Gesetzesprojekte ohne großes Aufheben in Nacht-und-Nebelaktionen durchgedrückt werden und die PiS gleichzeitig mit Sozialreformen und der Instrumentalisierung der Smolensk-Tragödie von ihrem Umbau des Staatswesens ablenke. Zudem gibt es keine einheitliche Haltung der Opposition zu vielen Themen, während die PiS-Wähler in der Regel sehr loyal sind.
Auch international gerät Polen zunehmend in Konflikt mit seinen Partnern. Gegenüber Deutschland und Russland tritt die Regierung wieder sehr konfrontativ auf und hat etwa die Diskussion um Kriegsreparationen, die Berlin schuldig bleibe, wiederbelebt. Zudem zeigt sich, dass die Regierung das eigene Land aus Unvermögen oder möglicherweise auch mit Absicht – aus innenpolitischen Gründen – innerhalb der EU zunehmend isoliert. Ein Beispiel hierfür war das Beharren auf einem völlig chancenlosen Gegenkandidaten für die Wahl des EU-Ratspräsidenten, da die PiS-Regierung um keinen Preis bereit war, eine zweite Amtszeit für den verhassten Donald Tusk zu akzeptieren. Anstatt einzulenken, stimmte die polnische Regierung als einzige gegen Tusk. Auch mit ihrer kompromisslosen Pro-Kohle-Politik oder dem Rückzug aus gemeinsamen Rüstungsprojekten gerät die polnische Regierung innerhalb der EU zunehmend ins Abseits.
Ihre Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze führt die Regierung auf europäischer Ebene fort. So ignoriert sie die innerhalb der EU beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen, welcher die Vorgängerregierung noch zugestimmt hatte. Dabei schlägt die PiS einen teils diskriminierenden und ausländerfeindlichen Ton an. So wurden muslimische Flüchtlinge wiederholt pauschal als Terroristen vorverurteilt, Kaczyński selbst warnte zudem schon im Wahlkampf vor der Verbreitung gefährlicher Krankheiten und Parasiten durch die Neuankömmlinge. Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der die Einstellung von umstrittenen Holzfällarbeiten im Białowieża-Nationalpark anordnete, ignoriert die Regierung. Während Polen derzeit zumindest quantitativ nicht als Spitzenreiter bei Vertragsverletzungen gilt, ist die offene Weigerung, ein EuGH-Urteil zu befolgen, präzedenzlos.
Beobachter befürchten, dass Polen durch eine zunehmende Selbstisolation von einem führenden europäischen Land zu einem Zaungast werden und dies etwa in den EU-Russland-Beziehungen oder bei den nächsten Haushaltsverhandlungen zu spüren bekommen könnte. Kürzlicher Ausdruck dieser Isolation ist eine Reise des französischen Präsidenten Macron durch Ostmitteleuropa, wobei er Warschau und Budapest ausließ. Dieser Prozess wird auch dadurch verstärkt, dass die größte Integrationsdynamik künftig innerhalb der Eurozone stattfinden dürfte, der Polen aus eigenem Willen weiterhin fernbleibt.
Dabei ist die Tatsache nicht unbedeutend, dass durch die innerparteilichen Konflikte der letzten Jahre kompetente Außenpolitiker in der PiS kaum noch vorhanden sind und selbst für Parteichef Kaczyński der derzeitige Außenminister Witold Waszczykowski nicht erste Wahl war. Dieser Umstand wird andererseits dadurch gemildert, dass es ein offenes Geheimnis ist, dass wichtige Entscheidungen ohnehin nicht in den Ministerien oder im Parlament getroffen werden, sondern in der Parteizentrale der PiS, vom einfachen Abgeordneten Kaczyński.
Landeszentrale für politische Bildung
Mecklenburg-Vorpommern
Tel: 0385 - 58818950
E-Mail:poststelle(at)lpb.mv-regierung.de
Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung über Polen
www.bpb.de
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