Dr. Daniel Trepsdorf, RAA, Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg
NPD-Gallionsfigur Udo Pastörs bezeichnete die sog.‚Völkischen Siedler:innen‘ (VS) in ländlichen Räumen einst als „Speerspitzenationaler Erneuerung.“ In der Tat halten sich die betreffenden Akteure zumeist im Verborgenen, sofern es sich um öffentliche respektive politische Präsenzhandelt. Subversiv agieren sie indes entlang der Bruchzonen zwischen privatem Nahraum und der Sphäre der Allgemeinheit. Völkische Siedler:innen sind in aller Regel ideologisch geschult, gesellschaftlich engagiert und entfalten eine hochmanipulative Wirkung auf ihr soziales Umfeld. Sie agitieren in der Nachbarschaft, auf Gemeindefesten, im örtlichen Schulförderverein oder bei der Organisation von Veranstaltungen in der Kita. Damit bewegen sie sich zumeist unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle von Jugend- als auch Schulämtern oderSicherheitsbehörden. Für die demokratische Kultur in ländlichen Regionenbesteht dadurch eine subtile Gefahr. – Denn es macht einen gravierenden Unterschied, ob sozial aktive Menschen sich für das Gemeinwesen engagieren oder ob Rechtsextreme bewusst ländliche Regionen unterwandern, um dort generationsübergreifend „nationale Graswurzelarbeit“ zu betreiben. Dieser konspirative Aktionismus ist gegen die moderne und liberale Gesellschaft größerer Städtegerichtet, es herrschen überkommene Geschlechterbilder und autoritäre Erziehungsmuster vor. Nicht selten wird dabei etwa Umweltschutz mit „arischem Volksschutz“ verbunden, um die angebliche „Überfremdung“ der Region zu verhindern. Als Beratende stellen wir zudem eine Propagierung traditioneller „germanischer Heilkunde“ sowie die Verschränkung mit den Verschwörungsmythenmancher Querdenker:innen fest (z.B. was die generelle Ablehnung von Impfungen als Schutz vor Infektionskrankheiten anbelangt). Die politischen Erfolge der AfD oder die mediale Aufmerksamkeit erntenden Aktionen der „Identitären Bewegung“ geben ihnen zusätzlichen Auftrieb.
Wir werden im Workshop die wenig beleuchteten Hintergründe und Motive dieser vielgestaltigen Bewegung ausleuchten, Herausforderungen als auch demokratie- und menschenrechtsorientierte Gegenmaßnahmen ergründen.
Gewaltlatenz und Gewaltaffinität in verbaler wie auch in konkret physischer Hinsicht gehören bei den VS zum gängigen Verhaltensrepertoire. Insbesondere sind Nachbarn und Mitmenschen betroffen, die sie als Gegner identifizieren. Überhaupt zählen Facetten praktizierter „struktureller Gewalt“ (Johan Galtung) zum völkischen Umfeld. Geradeso, wie dies ein kennzeichnendes Merkmal aller rechtsextremen Sozialformationen ist. Immer wieder berichten uns Nachbarn und Aussteiger:innen, dass auch ein forcierter Umgang mit Waffen im Lebensalltag der Völkischen Siedler allgegenwärtig ist. Kinder und Jugendliche, die in diesem rassistischen und antisemitischen Milieu aufwachsen, werden in einer annähernd hermetisch abgeschlossenen, rechtsextremen Lebenswelt erzogen. Moderne Kommunikationsformen — etwa Social Media, Online-Radio oder TV — sind dort gemeinhin verpönt. Fernsehgeräte werden gar als „Elektrojude“ bezeichnet. In Skandinavien oder an der baltischen Ostseeküste finden seit Jahren klandestine neofaschistische Sommercamps statt, wo die Heranwachsenden mit „völkischen Werten“, militantem Rassismus als auch „Blut-und-Boden-Ideologie“ indoktriniert werden. Die Camps werden professionell organisiert. So genannte Kampfbünde wie der „Sturmvogel – deutscher Jugendbund“ oder die rechtsesoterische „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ (Mitglied: u. a. der Mörder Walther Lübckes, Stephan Ernst, 2019), aber auch Nachfolgeorganisationen der HDJ („Heimattreue deutsche Jugend“, Verbot 2009), der „Wiking Jugend“ (Verbot 1994) oder des „Blood and Honour“-Neonazi-Netzwerkes (B&H, einschließlich: „White Youth“ (WY), Verbot 2000), sind hier tonangebend. Die personellen Verstrickungen der Szene sind unübersichtlich und stark verästelt. Für den norddeutschen Raum und MV reichen sie von der Anastasia-Bewegung (Markus Krause) über die „Ludendorffer“ (Bund für Deutsche Gotterkenntnis, nah dran: Steffen Hupka, Nikolai Nerling), bis in gewaltverherrlichende Organisationen „Nordkreuz“ (Marco Groß), „Nordadler“ sowie jenen, dem Rechtsrock-Untergrund nahestehenden Akteuren der „Sturmbrigade44/Wolfsbrigade 44“, deren Umtriebe 2020 ebenfalls durch das Bundesinnenministerium untersagt wurden.