Horst Pätzold, Gerhard Meinl

Die Forschungsinstitute Dummerstorf und Groß Lüsewitz 1945 bis 1991. Zeitzeugen berichten.

Rostock 1998 | 158 Seiten | Verband ehemaliger rostocker Studenten (VERS) kostenfrei

In der Forschungsstrategie der damaligen DDR gab es drei wichtige Komplexe. Einerseits existierten die Forschungseinrichtungen der Akademie der Wissenschaften, im DDR-Sprachgebrauch "der großen Akademie", wo die politischen Daumenschrauben nicht ganz so hart angezogen waren und die gemeinsam mit den Großforschungsinstituten der Industrie (VVB, Kombinate) dem Ministerium für Wissenschaft und Technik (MWT) unterstanden. Die Universitäten andererseits hatten über das Ministerium für das Hoch- und Fachschulwesen im Sektor Forschung einen indirekten Kontakt zum MWT. Zur dritten Gruppe gehörten die Institute der AdL, die dem Landwirtschaftsministerium direkt unterstellt waren und damit viel strengere politische Zügel angelegt bekommen hatten. Daraus leiten sich Fragen ab, wie weit auch hier die Wissenschaft als "Waffe im Klassenkampf" verstanden wurde und die Einheitspartei Arbeit und Leben der Wissenschaftler bestimmte.

Die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit greifen aber weiter, wird doch versucht, alle Aspekte dieser großen Einrichtungen zu berücksichtigen. So entsteht ein vielschichtiges Bild, das viele DDR-typische Eigentümlichkeiten widerspiegelt. Dazu gehören auch die Erlebnisse bei Feiern, Ausflügen und anderen Veranstaltungen, die ein Zusammengehörigkeitsgefühl schufen. Hieran erinnern sich die Zeitzeugen gerne, und sie wurden zum immanenten Bestandteil ihrer Biographie.

Andererseits wird deutlich, daß die SED im Laufe der Zeit in immer stärkeren Ausmaß die Personal- und Wissenschaftspolitik bestimmte und sozusagen ständiger Begleiter des Alltags wurde. Beklagt werden vor allem der immer wieder geltend gemachte Wahrheitsanspruch des Marxismus-Leninismus, der Führungsanspruch der sowjetischen Wissenschaft und die weitgehende Unterbindung der internationalen wissenschaftlichen Kommunikation. Unverkennbar sind die Eingriffe des Staatssicherheitsdienstes in alle Bereiche des Institutslebens. Die in der Bilanz durchaus beachtlichen Forschungsergebnisse wurden nicht dank, sondern trotz der aus heutiger Sicht politischen Ausnahmesituation erreicht.

Schon im alten Mecklenburg gab es diese zwei weltweit bekannten Forschungseinrichtungen: das Institut für Tierzuchtforschung in Dummerstorf, gegründet 1939 als Kaiser-Wilhelm-Institut, und das Institut für Pflanzenzüchtung in Groß Lüsewitz, gegründet 1948. In der DDR waren beide Institute Zentren der Forschung, in Dummerstorf mit mehr als 1000, in Groß Lüsewitz mit etwa 500 Mitarbeitern. Ihre Geschichte ist ein wichtiger Bereich der Wissenschaftsgeschichte Deutschlands und des Landes Mecklenburg- Vorpommern.

(aus dem Vorwort von Hartwig Bemitt)